Was wäre Weihnachten ohne den geschmückten Baum? Für viele gehört er ganz selbstverständlich dazu. Wenn in der Adventszeit der Duft frischer Nadelzweige ins Haus zieht, erinnern wir uns oft an vertraute Rituale aus der Kindheit. Dabei wirkt es, als hätte der Baum eine uralte Tradition. Doch seine Geschichte ist vergleichsweise jung und zugleich reich an besonderen Bräuchen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie sich der immergrüne Baum vom Symbol für Lebenskraft zum Mittelpunkt des Weihnachtsfestes entwickelte.
Immergrüne Pflanzen als Zeichen der Hoffnung
Lange bevor Weihnachten gefeiert wurde, hatten immergrüne Pflanzen in weiten Teilen Europas eine wichtige Bedeutung. Tannen, Fichten-, Kiefernzweige, Stechpalme oder Efeu galten als Zeichen der andauernden Lebenskraft in der dunkelsten Zeit des Jahres. Zur Wintersonnenwende schmückte man Häuser mit den sogenannten Wintermaien (grünen Zweigen) und begrüßte so die Rückkehr des Lichts. Diese heidnischen Bräuche legten den Grundstein für spätere christliche Traditionen.
Auch in der mittelalterlichen Kirche hatten immergrüne Zweige ihren festen Platz – etwa zu Heiligentagen wie dem der Heiligen Barbara oder während des Advents. Sie standen für Hoffnung und göttliches Leben, doch ein Weihnachtsbaum im heutigen Sinn war noch nicht Teil des Festes.
Ein weiterer belegter Brauch ist das Paradiesspiel am 24. Dezember, dem Gedenktag von Adam und Eva. Ein mit Äpfeln behängter Paradiesbaum war dabei ein wichtiges Requisit. Er war kein Weihnachtsbaum, zeigt aber, wie selbstverständlich immergrüne Pflanzen im Winter präsent waren.
Die erste gesicherte Erwähnung
Der Weihnachtsbaum musste sich erst entwickeln. In frühen Quellen aus dem 16. und 17. Jahrhundert finden wir Fichten, Kiefern oder andere heimische Nadelbäume – oft schlicht jene, die verfügbar waren. Mancherorts wurden sogar immergrüne Laubzweige wie Buchs oder Efeu eingesetzt. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich die Tanne als idealer Baum durch, vor allem in den letzten Jahrzehnten des 20. Jh. die Nordmanntanne. Diese war schön gewachsen, haltbar und dank der weichen, festsitzenden Benadelung gut zu schmücken.
Als älteste belegte Erwähnung des Weihnachtsbaums gilt eine Straßburger Chronik aus dem Jahr 1538, die beschreibt, wie man zu Weihnachten Tannen aufstellte.
Vom Zunftbrauch zum Familienbrauch
Im 17. Jh. fanden Weihnachtsbäume zunehmend ihren Platz in Zunftstuben und auch in protestantischen Haushalten. Ab dem 18. Jahrhundert hielten sie zunehmend Einzug in bürgerliche Wohnstuben.
Er wurde immer beliebter, da
- Weihnachten sich immer stärker zum Familienfest entwickelte
- der Wohnraum wurde individueller gestaltet – besonders im Biedermeier, das das Bild eines harmonischen, ästhetischen und weniger des prunkvollen Zuhauses prägte
- das Schmücken des Baumes zu einem liebevollen Familienritual wurde: Äpfel, Nüsse, Oblaten, Kerzen und später die ersten Glaskugeln aus Lauscha bereicherten den Baumschmuck.
- Zeitungen und Illustrationen des 19. Jahrhunderts das Bild des Weihnachtsbaums weit verbreiteten und zu seiner Popularität beitrugen
Kirchliche Symbolik
Viele pflanzenbezogene Bräuche wurden im Christentum übernommen und neu gedeutet. Der Weihnachtsbaum stand nun für
- das ewige Leben durch sein immergrünes Nadelkleid,
- das Licht Christi, dargestellt durch Kerzen am Baum (seit dem 17. Jahrhundert belegt),
- die Gaben der Heiligen Drei Könige, die sich im Baumschmuck widerspiegelten.
- die Spitze des Baumes trägt traditionell entweder einen Stern – als Hinweis auf Bethlehem – oder einen Engel, der an die Verkündigung erinnert.
Wie der Baum die Welt eroberte
Im 19. Jahrhundert verbreitete sich der Weihnachtsbaum weit über den deutschen Sprachraum hinaus.
- Königin Victoria und ihr deutscher Prinzgemahl Albert machten ihn in England populär; 1840 schmückte ein Baum erstmals den Buckingham Palace.
- Deutsche Auswanderer brachten ihn nach Nordamerika. Bereits 1891 stand ein Weihnachtsbaum vor dem Weißen Haus, ab 1895 sogar elektrisch beleuchtet.
- Der erste elektrisch beleuchtete Baum überhaupt wurde 1882 von Edward Johnson, einem Partner von Thomas Edison, illuminiert
- Über Einwanderer und Reisende gelangte der Brauch nach Skandinavien, Frankreich und viele weitere Länder – bald auch in öffentliche Räume wie Weihnachtsmärkte, wo er nicht mehr wegzudenken ist. Sein Aufstellen auf öffentlichen Plätzen markiert vielerorts den Beginn der Adventszeit.
Gemälde Anfang 20. Jh. von Leopold von Kalckreuth, Warschauer Nationalmuseum
Bräuche rund um den Baum
Um den Weihnachtsbaum entstanden zahlreiche regionale Traditionen:
- Der Baum wurde oft erst am Heiligabend aufgestellt – ein bürgerlicher Brauch des 19. Jahrhunderts.
- Immergrünes blieb ein Symbol für Lebenskraft und die immerwährende Erneuerung des Lebens, eine Vorstellung mit sehr alten Wurzeln.
- In einigen Regionen deutete man das Nadelverhalten als Omen für das kommende Jahr – ein Brauch, der heute durch veränderte Haltungsbedingungen kaum noch Aussagekraft besitzt.
- Die Dauer, wie lange der Baum stehen blieb, variierte regional stark – von Neujahr bis Dreikönigstag oder sogar bis Mariä Lichtmess. Auf dem Land wurden die Zweige später häufig weiterverwendet, etwa zum symbolischen Schutz von Haus und Stall.
Ein junger Brauch mit alten Wurzeln
Der Weihnachtsbaum, wie wir ihn heute kennen, ist nur wenige Jahrhunderte alt. Doch er vereint viele Vorstellungen früherer Zeiten – vom Wintergrün der Vorfahren bis zum festlichen Schmuck heutiger Familien. Er steht für Gemeinschaft, Licht und ein Stück Hoffnung in der dunklen Jahreszeit.
Wie sieht es bei dir aus? Gehört der Weihnachtsbaum zu deinem Fest? Und gibt es in deiner Familie besondere Bräuche, die dir wichtig sind?
O Tanne, du bist ein edler Zweig,
Du grünest Winter und die liebe Sommerzeit
Wenn alle Bäume dürre sein
So grünest du, edles Tannenbäumelein
Lied von Melchior Franck, 16. Jhd., Vorläufer des bekannten Weihnchtsliedes O Tannenbaum

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